Alles über die Kaffeekirsche
Manchmal werden die kleinen Dinge gnadenlos unterschätzt. Wer hätte beispielsweise gedacht, dass aus einem kleinen Kirschkern unser aller Lieblingsgetränk entstehen kann? Genau: Das, was wir gerne mal achtlos ausspucken, ist in Wahrheit die Quelle des guten Geschmacks. Klingt seltsam? Wir schauen uns das mal näher an.
Ok, das wird dich wahrscheinlich nicht überraschen: Kaffee gilt als Genussprodukt, hat mehr Aromen auf Lager als Wein und weltweit so viele Anhänger wie kaum ein anderes Getränk. Fun Fact: Am Anfang dieser Erfolgsgeschichte steht ein simpler Obstkern. Wie aber kann daraus unser aromatischer Kaffee entstehen?
Ohne Blüte keine Kirsche – und ohne Kirsche kein Kaffee
Betrachten wir zunächst einmal die Kaffeepflanze. Oder besser gesagt: den Kaffeebaum. Der Anbau und die Pflege können vom Samen bis zum ausgewachsenen Baum insgesamt drei bis fünf Jahre in Anspruch nehmen – je nach Kaffeeland und Kaffeesorte. In dieser Zeitspanne beginnt die Pflanze erstmalig zu blühen. Das ist enorm wichtig, denn erst aus der Blüte entsteht die Kaffeekirsche, deren Samen für unser tägliches Lieblingsgetränk unerlässlich sind.
Die Blüteperiode der Bäume kann dabei in Abhängigkeit von Sorte und Niederschlag stark variieren. So blüht zum Beispiel nicht jede Sorte gleich schnell. Erst wenn genug Niederschlag die weissen Kaffeeblüten herausgekitzelt hat, verströmen sie einen süsslichen Duft, der ein wenig an Jasmin erinnert. Wie bei allen Bäumen müssen die Blüten bestäubt werden, damit sie Früchte entwickeln. Die Sorte Coffea arabica schafft das grösstenteils ohne fremde Hilfe, denn sie ist ein Selbstbestäuber. Bei der Coffea canephora, bekannt unter dem Sortennamen Robusta, sieht das anders aus. Hier werden Insekten wie Bienen für die sogenannte Fremdbestäubung eingesetzt. Wie oder wer auch immer die Blüten bestäubt, das Ergebnis ist dasselbe – die Kaffeekirsche!
Grün oder Rot? Auf die Farbe kommt es an!
Und die kommt selten allein. Denn die kleinen Früchte wachsen ähnlich wie bei Weinreben in Trauben den Ästen entlang. Eine Arabica-Traube besteht dabei aus 10 bis 20 grossen runden Kaffeekirschen, eine Robusta-Traube aus 40 bis 50 kleineren. Der Reifeprozess ist bei beiden derselbe, auch wenn er nicht immer gleich lange dauert. Wechselnde Faktoren wie Wind, Niederschlag und Sonne spielen eine massgebende Rolle. Genau so, wie sich bei vielen blonden Kindern in den ersten Jahren die Haarfarbe verändert, so verändert sich die Farbe der Kirsche mit dem Reifeprozess. Die unreife Kirsche ist zunächst grün, klein und hart. Sobald sie langsam zu reifen beginnt, bekommt sie einen orangefarbenen Ton und wird weicher. Hat die Kirsche ein sattes Rot entwickelt, ist sie endlich reif für die Ernte. Sobald die Kirschen allerdings eine schwarzrote Farbe aufweisen, ist das ein Zeichen für Überreife. Sie sind dann extrem süss, verderben aber auch entsprechend schnell bei der Weiterverarbeitung.
Wenn die Kaffeekirsche ihre Hüllen fallen lässt
Je nachdem, in welchem Land Kaffee angebaut wird, kann es aufgrund der klimatischen Bedingungen eine bis mehrere intensive Ernteperioden geben. Manchmal kann sogar das gesamte Jahr über geerntet werden. Hierbei werden die Kaffeekirschen beim „Picking“ einzeln per Hand gepflückt oder beim „Stripping“ abgestreift bzw. maschinell abgeerntet. Wie auch immer geerntet wird – anschliessend wandern alle Kirschen in die Aufbereitung. Auch hier kommen verschiedene Verfahren zum Einsatz. Diese entscheiden darüber, wann und wie schnell die Kirsche ihre „Hüllen“ fallen lässt.
Die Kaffeekirsche kann grob in drei Schichten unterteilt werden. Da ist zum einen die äussere Schale mit dem süsslichen Fruchtfleisch, auch Pulpe genannt. Aus ihr stammt der Zucker, der enorm wichtig für die späteren Röstprozesse der Bohne ist. Dann gibt es noch die Pergamenthaut, den natürlichen Schutzschild des Samens bzw. Kerns, und das Silberhäutchen – die letzte, sehr dünne Schicht um den Samen. Und der Samen? Das ist die Bohne selbst. Genauer gesagt: zwei Bohnen. Denn so gut wie jede Kirsche besteht aus zwei Samen, die einander mit der flachen Seite zugewandt sind. Geboren als Pärchen, werden sie in der Aufbereitung getrennt. Fast schon tragisch.
Fehlt die Pergamenthaut, fehlt der Geschmack
Man unterscheidet zwischen nasser, trockener und halbtrockener Aufbereitung. So wird bei der trockenen Aufbereitung die komplette Kirsche auf ein Sonnenbett gelegt – hier schrumpft sie und nimmt eine bräunliche Farbe an, ähnlich einer Rosine. Bei der halbtrockenen Aufbereitung wird die äussere Schale weitgehend von der Kirsche entfernt, gewisse Fruchtfleischreste bleiben allerdings haften. Erst dann wird sie getrocknet. Was bleibt, ist die Bohne mit ihrer Pergamenthaut, die aber noch braunrötliche Stellen vom Fruchtfleisch aufweist. Bei der nassen Aufbereitung hingegen verliert die Kirsche ihr gesamtes Fruchtfleisch und wird nur mit der Pergamenthaut getrocknet. Der so gewonnene Pergamentkaffee ist sehr „sauber“ und hat eine einheitliche, hellbeige Farbe.
Die verschiedenen Arten der Aufbereitung wirken sich auf die eine oder andere Weise auf den Geschmack aus. Trocknen die Bohnen mit dem Fruchtfleisch, haben sie dank der süssen Schicht mehr Körper, schmecken „dunkler“ und haben tendenziell weniger Säure. Sind sie gewaschen und legen sie sich praktisch „nackt“ in die Sonne, entwickeln sie eher zitrische, florale Aromen mit etwas mehr Säureanteil. So oder so: Wichtig ist, dass die Pergamenthaut erhalten bleibt. Sie schützt die Bohne davor, dass sie Wasser aufnimmt und sich somit ihre Qualität vermindert. Erst nach dem Trocknen werden die letzten Schichten entfernt. Was bleibt, ist der grünbeige Rohkaffee, der darauf wartet, in die Röstung zu kommen.
Aus Fleisch mach Tee
Doch was passiert mit dem ganzen Fruchtfleisch? Für viele ist das blosser Abfall – eine totale Verschwendung, wie wir finden. Die süsslichen Reste lassen sich nämlich als Dünger für die Kaffeebäume wiederverwerten. Man kann aber auch ein komplett neues Produkt schaffen: Aus dem getrockneten Fruchtfleisch lässt sich zum Beispiel ein schmackhafter und sehr koffeinhaltiger Tee gewinnen. So findet jeder Teil der Kirsche seine Verwendung – nicht nur der populäre Obstkern.